
Der Außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Nils Schmid sprach zum Thema „Zeitenwende“ im gut besuchten Domhof-Saal
Als „authentischen, bodenständigen und sehr kompetenten Politiker“ bezeichnete der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Markus Bündig den Referenten Nils Schmid, der vor rund 50 Besuchern erläuterte, weshalb in Deutschland eine „Zeitenwende“ bevorsteht. Bündig hatte an diesem Abend nur eines zu nörgeln. „Nils ist treuer Anhänger des VfB Stuttgart – naja, nicht jeder ist perfekt“, sagte der Ortsvereinsvorsitzende der LAZ mit einem Augenzwinkern, der übrigens selbst glühender Anhänger von Eintracht Frankfurt ist. Bündig kündigte bei seiner Wahl zum Ortsvereinsvorsitzenden vor zwei Jahren an, dass er den ein oder anderen „SPD-Promi“ nach Ladenburg holen möchte und als ein solches Schwergewicht wurde Schmid auch vom Landtagsabgeordneten Sebastian Cuny und Bürgermeister Stefan Schmutz begrüßt.
Auch sie sind junge Väter wie Schmid, so dass sie natürlich Verständnis aufbrachten, dass der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion schnell wieder in seinen Nürtinger Wahlkreis zurückfahren wollte. „Er hat seiner Tochter versprochen, die mit Fieber im Bett liegt, dass er vor 22 Uhr zuhause sein wird, um ihr eine gute Nacht zu wünschen“, meinte Cuny, der die Familienangelegenheit natürlich gerne akzeptierte. Es blieb trotzdem ausreichend Zeit um über die von Bundeskanzler Olaf Scholz eingeläutete Zeitenwende zu diskutieren.
Zunächst erklärte Bürgermeister Stefan Schmutz, dass auch in den Kommunen die Zeitenwende angekommen ist. Der 24. Februar, als Präsident Putin den Angriffskrieg auf die Ukraine begann, habe auch die Kommunen extrem hart getroffen. So verteuerten sich beispielsweise die Rohstoffe enorm. Der Bau der geplanten Sporthalle wird sich um 20 % auf rund 15 Mio. Euro verteuern und für Strom und Gas mussten im Haushalt 2023 eine Mio. Euro mehr eingeplant werden. Die Betreuung der geflüchteten Menschen aus den Krisenländern der Welt stellt auch Ladenburg vor eine „Riesenaufgabe“. Schmutz rechnet damit, dass im Laufe des kommenden Jahres rund 500 geflüchtete Menschen betreut werden müssen.
Schmid kann die Probleme nachvollziehen. Als ehemaliger Wirtschafts- und Finanzminister (2011-2016) im Kabinett Kretschmann, weiß Schmid nur zu gut, wo die Kommunen der Schuh drückt. Förderprogramme helfen zwar, aber nicht alle Mehrkosten, die durch den Angriffskrieg verursacht wurden, könnten kompensiert werden.
Den Zuschuss für die Renovierung des Ladenburger Freibades in Höhe von rund 2,8 Mio. Euro, um das Schwimmbad klimaneutral betreiben zu können, ermöglicht jedoch ein von der Ampel aufgelegtes Förderprogramm. „Die SPD hat die richtigen Antworten auf die Zeitenwende. Wir übernehmen Verantwortung in schweren Zeiten und Bundeskanzler Olaf Scholz führt uns besonnen und zielführend durch die Krise“, ergänzte der Landtagsabgeordnete Cuny, der sich übrigens über das Lob von Bürgermeister Schmutz „sich stark für Ladenburg zu engagieren“, besonders freute.
Nicht immer die richtigen Antworten – aber immer die richtige Haltung
Schmid räumte ein, dass im Umgang mit Russland große Fehler gemacht wurden. Der wirtschaftliche Austausch war zwar erfolgreich, aber eine politische Öffnung fand nicht statt. Im Gegenteil, Putin zeigte sein wahres Gesicht als Antidemokrat, dessen kriegerische Pläne die Welt veränderten.
Auch für Schmid war es ein Schock, als der Aggressor am 24. Februar die Ukraine angriff. Daher sei der Begriff „Zeitenwende“ treffend ausgewählt, denn die Welt wurde kälter und rauer, was jeder einzelne Mensch nun spürt. „Wir brauchen kein Überbordwerfen der Außenpolitik der letzten 60 Jahre, sondern eine Anpassung unserer Außenpolitik“, erinnerte Schmid daran, dass die Entspannungspolitik von Kanzler Willy Brandt den Eisernen Vorhang öffnete. Nun sei aber eine Politik der kleinen Schritte gefragt um eine Konfliktlösung zu erreichen. Es sei richtig, dass Deutschland nur gemeinsam mit den Bündnispartnern handelt. Dem Kanzler und der Regierung Zögerlichkeit vorzuwerfen, sei „völliger Unsinn“, sagte der Experte für Außenpolitik, der keine Hoffnungen machte, dass der Krieg schnell beendet werden kann.
Allerdings sei es wichtig, dass Deutschland zusammen mit den USA und Frankreich eine Führungsrolle einnimmt. Die Wortwahl Führungsrolle gefiel dem Ex-SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Manfred W. Ramm nicht. „Unsere Geschichte sollte es eigentlich verbieten, von einer deutschen Führungsrolle zu sprechen“, meinte der Rechtsanwalt. „Unser Führungsanspruch muss im Sinne der EU eingebettet sein – es stimmt, eine militärische Führung Deutschlands muss natürlich abgelehnt werden“, meinte Schmid.
Der schätzte ein, dass jetzt noch nicht die Zeit gekommen ist, um Friedensgespräche anzustoßen. Die Ukraine wird sich aus verständlichen Gründen nie auf einen Waffenstillstand mit Russland einlassen. Vielmehr sei es wichtig, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird sich selbst verteidigen zu können. Ohne eine militärische Aufrüstung sei der Plan zum Scheitern verurteilt.
Mit einer selbstkritischen Einschätzung beendete Nils Schmid seinen Vortrag, die auch der Landtagsabgeordnete Cuny nur unterstreichen konnte: „Wir hatten sicherlich nicht auf jede Frage die richtige Antwort – aber wir in der SPD hatten immer die richtige Haltung“, so das Schlusswort.
Vor dem Domhof wartete schon der Fahrdienst des Bundestages – die Tochter des Politikers durfte sich also freuen, dass der Papa es schaffte, sie vor dem Schlafengehen noch zu herzen. Und dies ist doch auch eine gute Botschaft in der heutigen unruhigen Zeit.